„Deutsche wollen Fortschritt, ohne etwas zu wagen“, FAZ, 14.07.2013, Georg Meck

Diese Überschrift schmückte einen Artikel aus der FAZ im Sommer 2013. Dieser Artikel gab ein Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden von Bayer, Herrn Marijn Dekkers, anlässlich des 150. Gründungsjubiläums des Unternehmens wieder.

In diesem Artikel ging es um sehr unterschiedliche Themen, auch um die Energiewende und die dafür notwendigen Investitionsmaßnahmen. Letztere beinhalten zwangsläufig ein Risiko. Und so kam der vollständige Satz zustande „Die Deutschen sind (in den Technologien) sehr, sehr konservativ. Man will Fortschritt, ohne etwas zu wagen, ohne etwas aufzugeben“.

Ich habe diesen Satz aufgegriffen, weil ich hierbei eine Korrelation mit den sinkenden Gründerzahlen der letzten Jahre sehe. Diese sind seit 2002 so stark gesunken, dass Deutschland de facto 26.400 im Jahr 2012 verloren hat, d.h. mehr Unternehmensliquidationen als Gründungen (Angaben vom Institut für Mittelstandsforschung, ifM, Bonn).

Gründen bedeutet ein Risiko, das zum Erfolg oder Fiasko führen kann. Gründen, ein Unternehmen zu gründen, ist das Lebenselixier von vielen jungen (und jung gebliebenen) Menschen. Und trotzdem ziehen viele Menschen in Deutschland das Angestelltendasein dem Gründen vor (siehe VDI Nachrichten Nr. 10 „Deutsche legen den Schalter immer seltener um“).

Ist dieser Mangel an Gründungsbereitschaft eine deutsche Angelegenheit? In Schweden ist die Bereitschaft zu gründen deutlich höher. Da wird bereits in der Schule antrainiert.

In Deutschlands Business Schools und in den Universitäten werden viele Hilfemaßnahmen angeboten, wie Gründungskurse, Gründertreffen, Business Plan Wettbewerbe, Treffen mit Investoren usw.

Diese Netzwerke funktionieren in Berlin und München sehr gut. Und im Rest der Republik? Kaum Aktivitäten, kaum Gründungen.

Wie könnte die Lösung lauten? Mehr Netzwerke, mehr Investoren? Wohl kaum. Eine andere Denke ist hier notwendig, ein Paradigmenwechsel.

Wer in einem gesicherten Arbeitsplatz arbeitet, tut sich schwer, das Risiko einer Unternehmensgründung einzugehen.

Unser Wohlstand ruht auf u.a. auf den Innovationen des 19. und 20. Jahrhunderts: Siemens, Bosch, Volkswagen, Daimler usw. Deren Unternehmensgründer haben viel riskiert und waren am Ende erfolgreich.

Ein Gründer suchte für sein Team Mitgesellschafter. Er sprach mit vielen potentiellen Kandidaten. Diese haben das Angebot, Mitgesellschafter zu werden, abgelehnt. Obwohl vor dem Termin klar war, dass es um Mitwirkung als Gesellschafter ging, verlangten die Kandidaten ein Gehalt, sonst wollten sie nicht mitmachen. Angst vor dem Sprung könnte man dies nennen.

In Deutschland gründen Ausländer dreimal so oft wie Inländer. Diese Aussage lässt sich dadurch relativieren, dass Ausländer wohl einen „Gemüseladen“ gründen. Stimmt. Es liegt jedoch auch ein Stückweit auch an der Risikobereitschaft.

Es kommt selten vor, dass ein Erfinder von Anfang an mit Wohlwollen betrachtet wird. Das Anderssein wird nicht gutgeheißen. Ob dies auch für Unternehmensgründer gilt?

Wenn wir in Deutschland mehr Gründungen brauchen, dann brauchen wir ein Klima der Risikobereitschaft und Fehlertoleranz.

Warum Fehlertoleranz? Es bleibt nicht aus, dass eine Unternehmensgründung scheitern kann. Was passiert dann mit dem „Gescheiterten“? Der wird gebrandmarkt. Und wer will so was?

Es ist nicht damit getan, Fördergelder zu organisieren. Wir brauchen einen Wandel in der Gesellschaft.

Ein Unternehmen heute zu gründen, bedeutet die Früchte erst übermorgen zu ernten. Und gerade hier tun wir uns schwer. Wir wollen morgens gründen (säen) und nachmittags ernten. So wie als Angestellter: heute arbeiten und am Ende des Monats ein angemessenes Gehalt erhalten, das wir womöglich rechtlich einklagen können.

Der Mangel an Risikobereitschaft lähmt nicht nur die potentiellen Gründer, sondern auch die Investoren. Business Angels investieren in Deutschland im Schnitt ca. 50.000,-€ pro Investment. Dies ist gelinde gesagt einer Lachnummer. In den USA sind Investoren bereit, höhere Risiken einzugehen. Ohne Startgeld ist eine Gründung unmöglich. Risikokapital ist gerade bei den technologiegetriebenen Gründungen notwendig.

Wenn hier ein Plädoyer für mehr Unternehmensgründungen gehalten wird, dann weil diese unseren Wohlstand für die Zukunft sichern. Dies haben die Wirtschaftsminister aller Länder entdeckt. Daher lassen sie sich gern bei solchen Veranstaltungen sehen. Nur einen Paradigmenwechsel –wie oben gefordert- haben sie nicht herbeigeführt.

Schöne Reden auf Events werden nichts ändern. Ein gesellschaftlicher Wandel ist nötig. Dieser wird nur dann gelingen, wenn die Promis der Nation nicht die Gewinner von „Voice-of-Germany“ sind, sondern die Unternehmensgründer. Nur wenn dieser Beruf als „non plus ultra“ von den Medien dargestellt wird, wird sich in unserer Gesellschaft etwas ändern.

Nur wenn Unternehmer, d.h. Arbeitgeber, nicht an den Pranger gestellt werden, sondern als „Brot-Geber“ der Nation hingestellt werden, wird sich unsere Gründerlandschaft ändern.

Geben Sie uns Ihre Meinung dazu!

Tags: Unternehmensgründung, Risikobereitschaft, Innovation

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