„Die wahre Seele des Angestellten“ Buchrezension von „Jenseits des Aktenkoffers“, Mark Siemons, Hanser, 1997

Heute möchte ich in diesem Blog das Buch „Jenseits des Aktenkoffers – Vom Wesen des neuen Angestellten“ vom FAZ Redakteur Mark Siemons rezensieren.

Dieses Buch ist während seiner Zeit in Frankfurt entstanden; von Aachen kommend (gebürtig) und auf dem Weg nach Berlin und später China.

Der „situ“ Frankfurt ist deswegen wichtig, weil gerade hier viele Banken (im Jahre 1987 412 Bankniederlassungen) und Versicherungsfirmen ihren Sitz haben, so dass hier viele Angestellte gehobenen Niveaus arbeiten. Dies war der Näherboden für das vorliegende Buch.

Warum rezensiere ich dieses Buch? Erstens, weil ich Mark Siemons seit vielen Jahren kenne und durch unsere Begegnungen in seiner Frankfurter Zeit indirekt Input für sein Buch geliefert habe. Zweitens, weil mich das Thema „Angestellter“ fasziniert. Darüber werde ich meine eigenen Ansichten in einem speziellen Blog schreiben (Teil 2).

Mark Siemons hat nie in einem Unternehmen gearbeitet, auch nicht näher sehen können. Bei der Entstehung des Buches war auch er „Angestellter“ bei der Frankfurter Allgemeine Zeitung. Dies war jedoch in seinem Ductus jedoch nicht der Angestellte, den er meinte. Er meinte vielmehr, den Banker schlechthin. Auch Angestellter von Multis wie SAP, Daimler oder Procter & Gamble waren in seinem Blickfeld.

Mark Siemons nähert sich dem Angestellten mit viel Respekt und Blick auf ihn hinauf. Er beschreibt bereits Anfang der 90er der Jahre einen Angestellten, den wir in vollendeter Form erst ca. 10 bis 15 Jahre erlebt haben. Damit war Mark auf seiner Weise ein Prophet.

Das Bemerkenswerte des Buches ist nicht nur die Treffsicherheit der Aussagen, sondern die Tatsache, dass Mark nie –auch nicht ein einziger Tag- in solchen Verhältnissen „wie Unternehmer im Unternehmen“ (siehe Seite 66) gearbeitet. Und doch trifft diese Aussage ins Schwarze.

Auch dann wenn er in Seite 63 vom Querdenker spricht. Damals, als das Buch entstand, war dieser Begriff noch nicht allgegenwärtig.

Wie hat es wohl Mark so angestellt, dass er solche Tiefe und Präzision in der Wahrnehmung erreichen konnte? Vielleicht weil er es aus dem Blickwinkel der Philosophen wie Adorno oder Nietzsche betrachtet hat. Ein Philosoph schaut 20 bis 50 Jahre im Voraus. Und so hat sich Mark der „Brillen“ deutscher Philosophen bedient. Und hier liegt der Reiz dieses Buches: Ein Philosoph schaut sich die Welt der Angestellten. Dieser wird mit einem Künstler verglichen. Noch vielmehr, er wird zu einem Künstler stilisiert.

Dies deckt sich mit meiner Aussage, dass Arbeiten eine Kunst sei. Das Ergebnis klingt ähnlich, der Weg dahin ist jedoch ein ganz anderer.

Ist Mark Siemons ein Hellseher? Nein. Er hat eine unheimliche Beobachtungsgabe. Diese wurde mit zahlreichen Recherchen angereichert und so ist ein sehr lesenswertes Buch entstanden.

Der Schreibstil ist brillant, Feuilletonartig, aufgeklärt. Das Buch? Kurzweilig. Der Inhalt? Bereichernd.

Das Buch ein Muss für alle, die sich mit der Welt des Arbeitens befassen.

Zu guter Letzt einige Zitate:

„Wahres Künstlertum verheißt heute nicht mehr die Literatur, geschweige denn die Wissenschaft, sondern das Leben als Angestellter im Dienst eines Unternehmens“ (Seite 44).

„Vom Angestellten wird heute in einem sehr grundsätzlichen Sinn verlangt, dass er unentfremdet, dass er Künstler sei“ (Seite 46).

„Der Überbau, den er um seine Stelle herum konstruiert, ist nicht Äußerliches, Akzidentelles, sondern macht das Wesen, oft gar die Funktion seiner Stelle aus“ (Seite 46)

„Erfolg haben heute nur noch Angestellte, die sich als Querdenker und kritische Köpfe ausweisen können“ (Seite 63).

„Eine Fortentwicklung des Angestellten neuen Typs ist der sogenannte „Unternehmer“. Jeder Angestellte sollte gemäß den neuen Firmen-Visionen ein Unternehmer im Unternehmen werden. Damit ist zunächst nichts anders gemeint, als dass er für seine Firma produktiver, engagierter und effizienter arbeiten soll. Dazu muss dem Mitarbeiter der Eindruck von Freiheit und Selbstverantwortung vermittelt werden: Er soll am Ende so eng mit dem Unternehmen verwoben sein, als wäre es sein eigenes“ (Seite 66).

„Auch die Mode-Unternehmerin Jil Sander empfiehlt den Weg innerer Einkehr: „Vier Wochen Kloster, ja das wäre was. Eine Klosterzelle und ein Buch, die Reduktion auf die größte Freiheit überhaupt“ (Seite 93).

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