Seit Beginn des Jahrzehnts haben sich drei Begriffe in unseren Alltag verfestigt: Post-Corona, ChatGPT und Generation Z, bekannt auch unter GenZ.
Das Buch „Verzogen, verweichlicht und verletzt“ von Susanne Nickel ist Gegenstand der heutigen Rezension. Die Autorin ist Mitglied der GenX und hat mit Boomer und GenY zusammengearbeitet. Die GenZ hat sie in den letzten Jahren näher kennengelernt. Dadurch verfügt sie über einen Adlerblick von vier Generationen, was ihr einen sehr treffenden Vergleich untereinander ermöglicht.
Die Autorin analysiert -aus meiner Sicht- sehr präziser und frei von Emotionen oder Vorurteilen das charakteristische Verhalten der GenZ. Dazu stützt sie sich auf eigene Erfahrung sowie auf Interviews mit Angestellten in den Unternehmen, die ihre ersten Erfahrungen mit der GenZ bereits gesammelt haben. Die vorgelegte Analyse klingt mir vertraut, und zwar aufgrund meiner Tätigkeit in der Personaldiagnostik, und in der Geschäftsführung eines Start-ups mit jungen Mitarbeitern.
Notwendige Skills für die Arbeit fehlen
Susanne Nickel benutzt Adjektive wie unverbindlich, undiszipliniert, verzogen, um die GenZ zu beschreiben. Dazu kommen weitere Aspekte wie „keine Kompromisse“ eingehen wollen, fehlende Resilienz. Allesamt notwendige Eigenschaften und Skills für die moderne Arbeit.
Frau Nickel ist der Ansicht, dass die GenZ im Wesentlichen von der Erziehung durch die Eltern sowie vom Wohlstand geprägt worden sind. Der Überfluss an Optionen, der fehlende „Mangel“ hat sie maßgeblich beeinflusst.
Lösungsvorschläge
Das Buch bleibt nicht bei der Problemdarstellung stehen. Es präsentiert Lösungen. Die Unternehmen sollen sich auf die GenZ einstellen, ohne dadurch das Geschäftsmodell zu gefährden. Sich darauf einstellen, heißt: Ihre Bedürfnisse ernst nehmen. Und zugleich Maßnahmen der Personalentwicklung anbieten, Grenzen setzen, Regeln definieren. Und das bekannte Fördern/Fordern.
Lassen wir Frau Nickel zu Wort kommen: „Der Arbeitgebermarkt hat sich zu einem Bewerbermarkt gewandelt, was mit dem Fachkräftemangel zu tun hat., aber nicht nur. Junge und jüngere Leute haben eine Anspruchshaltung, die sie ohne Umschweife zum Ausdruck bringen. Die Wohlstandskinder der GenZ fühlen sich zu Höherem berufen“.
Aus meiner Sicht subsumiert dieser Satz das Buch und die GenZ.
Seit Sonntag überschlagen sich die Kommentare über die zurückgetretene Bundministerin Anne Spiegel. Journalisten, Politiker, Fach- und Führungskräfte haben ihr Votum auf Basis ihrer Erfahrungen und Ideologien verfasst. Aus meiner Sicht waren viele zutreffend, andere sehr einseitig.
Hier möchte ich Frau Anne Spiegel arbeitspsychologisch analysieren. Einschränkend muss ich vorschicken, dass die vorliegenden Daten nur eine schnelle Betrachtung zulassen. Die Ergebnisse vermitteln ein Bild, das mit den ergänzenden Informationen von Beobachtern zu korrelieren scheint. Ich möchte diese Analyse als eine Hypothese hinstellen. Kein Votum, kein Gutachten. Eine Plausibilisierung und Validierung sind von Nöten.
Die arbeitspsychologische Analyse basiert auf der Auswertung von Videos von Frau Spiegel mittels künstlicher Intelligenz (KI). Dieses KI-Tool haben im Rahmen von diversen Projekten plausibilisiert (de Molina, 2021).
Im Rahmen von Projekten konnten wir mit der KI drei Arten von Persönlichkeitsprofilen herausarbeiten: High-Performer, Middle-Performer und Low-Performer.
Profile von High-Performern haben praktisch alle DAX-Vorstände, Unicorn-Gründer und erfolgreiche Professionals unabhängig von den Hierarchieebenen.
Als Bundesministerin hatte Frau Spiegel eine Führungsfunktion inne und war zuständig für fast 1.000 Mitarbeitenden. Um in dieser Aufgabe erfolgreich zu sein, wäre es sinnvoll bis notwendig, dass Frau Spiegel über ein Profil als High-Performer verfügt.
Im Bild 1 haben wir einen Vergleich zwischen dem Big5-Profil von Frau Spiegel und dem von DAX-Vorständen dargestellt. Die Unterschiede sind sehr ausgeprägt. Frau Spiegel hat das Profil eines Low-Performers. Das könnte eine erste Erklärung dafür liefern, warum sie überfordert war.
Wir wollen diese Big5-Analyse nicht überbewerten und suchen nach weiteren Hinweisen. Wir werten weitere Attribute aus und sehen, welche weiteren Erkenntnisse wir dabei gewinnen.
Im Bild 2 haben wir eine Kompetenz- und Präferenzanalyse auf KI-Basis dargestellt. Manche Attribute sind sehr prägnant. Gehen wir der Reihe nach.
Frau Spiegel wünscht sich „stabile Arbeitsprozesse“, d.h. eher Routinetätigkeit, keine große Arbeitsvielfalt. Das ist mit einer Führungsfunktion nicht kompatibel. Auch ihr Detailfixierung ist für eine Führungsfunktion nicht geeignet. Dazu kommen mangelnde Autonomie, wenig Teamorientierung und schwachen Umgang mit anderen. Diese Attribute zeichnen ein Bild einer Mitarbeiterin aus der unteren Ebenen, nicht das Bild einer Führungskraft.
Und dann fragt man sich: Ehemann krank, vier Kinder zu Hause und 4 Jobs draußen. Wie lässt sich das erklären? Doch: Ihre Wettbewerbsorientierung, d.h. sie ist sehr ehrgeizig. In sich gut. Nur zu viel, ist zu viel.
Im Klartext: Wie es scheint, verfügt Frau Spiegel nicht über die nötigen Eigenschaften und Kompetenzen, um als Führungskraft in gehobenen Positionen zu bestehen.
Ich wiederhole: Das ist eine erste Analyse. Eine Plausibilisierung mittels weiterer Daten ist von Nöten.
In der Industrie sind wir bestrebt „die Richtigen am richtigen Platz“ einzusetzen. Dafür verwenden wir zahlreiche diagnostische Instrumente. Auch unser Unternehmen hat HR-Tools dafür entwickelt und diese werden von unseren Kunden eingesetzt.
Unsere Politiker wären gut beraten, auch solche Instrumente bei der Personalauswahl zu verwenden. Damit würden sie Menschen wie Anna Spiegel nicht überfordern und letztlich innerlich zerstören. Das war unmenschlich!
Schuld an der falschen Besetzung tragen nicht allein die Kandidaten, sondern auch die Parteien.
Politiker sollten von den Unternehmen lernen und Personalentscheidungen kompetenzbasiert treffen.
Wir wünschen Frau Anne Spiegel einen guten Restart ins Berufsleben. Wo auch immer, aber kompetenzbasiert mit einem guten Job-Fit.
Literatur
de Molina, K.-M. (2021) KI-Einsatz in Videointerview: Was geht, was geht nicht?
Namhafte Studien betonen die Bedeutung von Future Skills für die Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit von Organisationen. Ein Up-Skilling von Future Skills ist nur dann effizient und kostenoptimiert, wenn Agilität, Individualität und User Experience in den Vordergrund rücken. Darüber hinaus braucht es einen abgestimmten und datenbasierten Prozess bestehend aus Eignungsdiagnostik, Lerndiagnostik und individualisierter Entwicklung.
Erst eine selbstständige, flexible und schnelle Konfiguration der Kompetenzmodelle, der Lernprozesse und der Lerninhalte sichern die nötige Agilität im Up-Skilling.
Die Individualität, d.h. die User-Zentrierung, muss auf mehreren Ebenen gewährleistet sein: rollenspezifische Kompetenzmodelle, typengerechte Ansprache der Lernenden, adaptiver Lernprozess und -content, Beachtung des Lerntyps, der -präferenzen, der -widerstände, des -levels, Einbeziehen von KI in der Learn Analytics. Und vieles mehr.
Die Bereitstellung von Lerninhalten durch geschlossene LMS-Systeme wird nicht empfohlen, sondern vielmehr sollen Zugänge zu kuratierten und flexiblen Inhalten ermöglicht werden.
Einleitung
NEW WORK, Digitalisierung, VUCA sind keine Buzzwords mehr. Sie haben unsere Berufswelt grundlegend verändert. Sowohl die Job- als auch die Kulturprofile in den Unternehmen brauchen ein Update. Im NEW WORK Zeitalter erwarten Mitarbeitende einen transformationalen und keinen transaktionalen Führungsstil. Digitalisierung erfordert von allen Mitarbeitenden „digital literacy“, d.h. sicheren Umgang mit Apps, Online-Applikationen, Webconferencing usw. Im Umgang mit einem VUCA-Umfeld erfordert mehr Agilität, Kreativität, Lösungsorientierung usw.
Eine mögliche Antwort auf all diese Herausforderungen ist die Weiterentwicklung der Future Skills, d.h. Up-Skilling.
In der Studie von StepStone und Kienbaum (2021) sagt die Mehrheit der Befragten deutschen HR´ler, dass für sie Future Skills relevant sind, auch wenn diese Relevanz zugleich unscharf ist und ein klares Bild über die Zukunftskompetenzen nicht vorliegt.
Unser Konzept für Future Skills beinhaltet 3 Schritte. Der erste Schritt ist der Kompetenzanalyse mit einem Kompetenzkatalog, konzipiert für die neue Arbeitswelt. Dieser Katalog beinhaltet neue Kompetenzklassen wie Zukunftsfähigkeit, Transformation, Digitalität, Anpassungsfähigkeit, ohne die altbewährten wie Methoden, Soziale, Personale und Aktionale zu vernachlässigen (Bild 1). Dieser Kompetenzkatalog liefert die Basis für die Aufstellung von individualisierten Kompetenzmodellen -wie wir später sehen werden.
Die BCG Studie „The Future of People Management Priorities 2021” empfiehlt eine proaktive Rolle bei der Entwicklung der digitalen Kompetenzen in der Organisation.
Gemäß der Studie von Gartner (2021) über die „Top5 Priorities for HR-Leaders“ sagen 68% der Befragten, dass sie die Entwicklung der Future Skills in ihrer Organisation als Prio 1 ansehen.
Bild 1: Kompetenzklassen für Future Skills (ThinkSimple 2021) im Vergleich zu alten Kompetenzkatalogen (Erpenbeck 2007).
Bild 2: Soft Skills werden noch nicht konsequent entwickelt, auch wenn laut Gartner Studie geplant ist. Studie der PINK University (2021) und Gartner (2021)
Und zugleich offenbart eine Studie der PINK University (2021) Lücken: 49% der Befragten HR-Verantwortlichen sagen, dass in ihrer Organisation Future Skills nicht speziell geschult werden. Wenn wir diese Aussage mit der Gartner Studie kombinieren, dann heißt, geplant aber noch nicht umgesetzt.
Nach Widuckel & de Molina (2021) könnte ein umfangreiches Persönlichkeitsmodell bestehend aus Eigenschaften, Kompetenzen, Werten, Motive, Präferenzen, Emotionen und Sprache bestehen. Das sind ca. 275 Attribute. Darin sind ca. 60 konkrete Kompetenzen enthalten. M. Lombardo & R. Eichinger (1996) listen ca. 170 Kompetenzen.
Im Buch Kompetenzen der Zukunft – Arbeit 2030 (2018) listen Unternehmen ihre aktuellen Kompetenzmodelle, mit denen sie ihre Mitarbeitenden analysieren und entwickeln. Die meisten davon haben die Digitalisierung nicht in den Fokus gerückt.
Bild 3: Die Kompetenzprofile ändert sich im Lauf der Zeit. Hier die relevanten Kompetenzen nach Jahrhundert vereinfacht dargestellt (de Molina, 2015)
Viele Berater haben seit 2019 Kompetenzmodelle fürs NEW WORK – Zeitalter entwickelt: W. Jochmann (2017 und 2021), R. Nagel (2021), Groß (2019).
Seit 2018 haben wir zahlreiche Studien und Veröffentlichungen über neue Soft Skills gescreent, die einen klaren Bezug auf NEW WORK, VUCA und Digitalisierung haben:
World Economic Forum 2020
The Skills Companies Need Most in 2019 und 2020 (LinkedIn)
Aufbauend auf unserem bewährten Kompetenzmodell von ThinkSimple (2016) und unter Berücksichtigung u.a. der oben aufgeführten Modelle haben wir einen neuen und umfangreichen Kompetenzkatalog aufgestellt. Dieser besteht aus 10 Kompetenzklassen und 183 Einzelkompetenzen.
Der ThinkSimple Kompetenzkatalog dient als Datenbank für die Erstellung der rollenspezifischen Modelle in den Unternehmen in Kundenprojekten. Dieser umfangreiche Katalog beschränkt sich auf Soft Skills (d.h. keine Hard-Skills) und lässt sich zwischen den 4-Kompetenzklassen Modellen von Rosenstiel-Erpenbeck-Kauffeld und den Digital Skills verorten. Daher beinhaltet unser Katalog die Standardkompetenzen: Soziale, Personale und Methoden, sowie digitale Fähigkeiten wie „digital Literacy“ (Bild 4).
Bild 4: Soft Skills als Schnittstelle zu den Digital Skills
Kompetenzmodell aus dem Kompetenzkatalog
Bei der Konzeption eines neuen Modells für das eigene Unternehmen ist es hilfreich, die Anhaltspunkte von Campion et al (2011) in Betracht zu ziehen:
Das Kompetenzmodell soll einen Bezug zur Tätigkeit haben entweder durch die Auswahl der Kompetenzen oder durch die Festlegung des Ausprägungsniveaus
Zum Kompetenzmodell gehört ein Jobprofil (auch Rollenprofil genannt) zur Festlegung des Anforderungsniveaus
Das Anforderungsniveau kann durch eine Aufteilung in verschiedenen Levels beschrieben werden
Das Kompetenzmodell sollte aus der Unternehmensstrategie abgeleitet werden und kann auf die Zukunft ausgerichtet sein (Transformation)
Kompetenzmodelle liefern die Basis für die zielgerichtete Personalentwicklung
Kompetenzen lassen sich am Verhalten beobachten
Kompetenzmodelle ermöglichen die Kompetenzfeststellung im Recruiting, Talent Management und in der Nachfolgeregelung
Mit den Kompetenzmodellen lassen sich High und Low Performer feststellen
Bei der Zusammenstellung der Liste der Kompetenzen sollen auch Führungskräfte mitwirken
Die Liste der Kompetenzen soll aus der Tätigkeitsanalyse abgeleitet werden
Tabelle 1: Empfehlungen von Campion (2011) beim Aufbau eines Kompetenzmodells
Zwischen 2013 und 2015 haben Prof. Joachim Thomas und ich ein Kompetenzmodell für ThinkSimple entwickelt. Dieses besteht aus den bekannten Kompetenzklassen von Rosenstiel-Erpenbeck, jedoch mit anderen zugeordneten Kompetenzen.
Aufgrund der Kundenerfahrung mit unserem Modell möchte ergänzend zur obigen Tabelle 1 folgende Punkte auflisten:
Die Modelle müssen sich für die Anwendung innerhalb der Organisation leicht individualisieren lassen. Z.B. durch Auswahl aus einem Katalog
Es sollen Rollenspezifische vorkonfigurierte Modelle vorliegen, da diese die Arbeit der Personalabteilung erleichtern
Die Kombination aus Katalog, vorkonfigurierten Modellen und Autorensystemen ermöglicht eine schnelle Aufstellung des passenden Modells
Um sozialerwünschte Antworten beim Assessment im Recruiting zu vermeiden, sollten MultiChoice-Antworten zur Anwendung kommen
Die Anzahl der Items pro Kompetenz soll nicht geringer als 5 sein
Die Likert-Skala sollte zwischen 6 und 11 Stufen haben. Letztere wird bevorzugt.
Die Items sollen positive wie negative Formulierungen enthalten, um eine Antwort-Neigung zu vermeiden
Werden geschlossene Fragen und keine Anker verwendet, dann soll die größte Zustimmung auf der rechten Seite sein
Die Items sollen für alle User die gleiche Reihenfolge aufweisen, damit eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse gegeben ist
Die Items müssen randomisiert werden
Tabelle 2: Weitere Empfehlungen von uns für den Aufbau eines Kompetenzmodells (siehe auch Tabelle 1)
Erstellung der Rollenprofile
Eine Voraussetzung für die Eignungsdiagnostik ist das Vorhandensein von rollenspezifischen Sollprofilen. Nur so dienen die Test-Ergebnisse der Feststellung des Skills-Gap und ermöglichen eine realitätsnahe Weiterentwicklung. Alles andere verunsichert die Mitarbeitenden und Bewerbenden, und führt die Weiterentwicklung „ab absurdum“.
Wie kann eine Organisation diese Sollprofile passgenau, flexibel und einfach entwickeln? Hier unser Konzept:
#1: Verwendung von Rollenprofilen aus der Datenbank vom Tool-ThinkSimple+
Hier sind Rollenprofile verfügbar und geclustert nach Positionen (Berufseinsteiger, Experte, Führungskraft, Geschäftsführung, Freelancer usw.), nach Aufgabenbereichen (Sales, Marketing, Controlling, HR usw.) und nach den Rollen in den jeweiligen Aufgabenbereichen. Insgesamt verfügt heute das System über 300 Rollenprofile.
#2: Anpassung der Datenbank-Rollenprofile fürs eigene Unternehmen oder/und Erzeugung neuer Profile
Die vorhandenen Datenbank-Rollenprofile lassen sich schnell für die Bedürfnisse der eigenen Organisation ändern. Darüber hinaus lassen sich neue Rollenprofile generieren. Die Änderungen bzw. die neuen Rollenprofile bedürfen i.R. der firmeninternen Abstimmung mit den Fachabteilungen.
#3: Ableitung von Rollenprofilen aus den Big Data
Sobald die Mitarbeitenden und Bewerbenden die Tests durchgeführt haben, entstehen Daten von realen Profilen. Diese anonymisierten und nach Rollen gruppierten Profile können für die Generierung von organisations-spezifischen Rollenprofilen verwendet werden, siehe Bild 5.
Bild 5: Big Data dient der Erzeugung von Benchmark – Daten für die Sollprofile der einzelnen Stellen im Unternehmen für die Mitarbeitende und Bewerbende.
Konfiguration der organisationsspezifischen Modelle
Im 2. Abschnitt haben wir grundsätzliche Aspekte des Kompetenzkatalogs aufgeführt und einige Hinweise für die Erstellung der organisationsspezifischen Modelle geliefert. In diesem Abschnitt möchten wir die konkrete Zusammenstellung des Modells besprechen.
2016 sind mit unserem One-Fit-All-Kompetenzmodell auf den Markt gegangen. Damals wünschten sich wenige Organisationen ein firmenspezifisches Modell. Heute ist es anders und es ist gut so. Wie können Organisationen ein firmenspezifisches Kompetenzmodell aufstellen? Wie viel Expertise muss bei HR und bei den Fachabteilungen dafür vorhanden sein? Sind immer externe Berater notwendig?
Viele Beratungsunternehmen werden gerade für Aufbau von unternehmensspezifischen Kompetenzmodellen im Rahmen von Projekten herangezogen. Diese Projekte sind zumeist kostspielig und zeitintensiv. Muss es immer so sein? Wir möchten hier eine Alternative dazu präsentieren.
Im Wesentlichen gibt es vier verschiedene Ausgangssituationen:
#1: Das Unternehmen verfügt bereits über mehrere rollenspezifische Kompetenzmodelle
#2: Das Unternehmen verfügt bereits über ein unternehmensweites Kompetenzmodell
#3: Das Unternehmen verfügt über die nötige Expertise, um auf Basis von Vorlagen ein oder mehrere Kompetenzmodelle aufzubauen
#4: Das Unternehmen verfügt nicht über die nötige Expertise und daher bedarf es an externer Unterstützung
Tabelle 3: Verschiedene Ausgangssituationen für die Aufstellung eines Kompetenzmodells
Die Wege zu einem Future Skills – Modell ist je nach Ausgangslage unterschiedlich. Diese Wege werden wir nachfolgend erläutern.
Ausgangslagen #1 und #2: Das Unternehmen verfügt über eine Auflistung von Kompetenzen
In diesem Fall greift unser Vorschlag mit dem Autorensystem, d.h. der Kunde wählt aus dem Kompetenzkatalog die entsprechenden Kompetenzen aus und trägt die im Unternehmen vorhandenen Items (geschlossene Fragen bzw. Anker) in das Tool ein. Wenn die Items nicht vorhanden sind, werden die im Tool hinterlegten Items verwendet.
Sollten rollenspezifische Modelle vorliegen, werden diese automatisch den jeweiligen Rollen zugeordnet.
Bis hier haben wir ein reines Autorensystem beschrieben. Eine Kombination aus dem Autorensystem und dem Kompetenzkatalog ist immer möglich.
Ausgangslage #3: Das Unternehmen verfügt über die nötige Expertise, um auf Basis von Vorlagen eins oder mehrere Kompetenzmodelle aufzubauen
In dieser Lage befinden sich die meisten Unternehmen, weil für jede Position zumeist eine Stellenbeschreibung vorliegt. Vielleicht nicht niedergeschrieben, aber doch „im Kopf“ vorhanden. Man muss diese nur niederschreiben und daraus die notwendigen Kompetenzen ableiten. Gerade dazu dient unser Kompetenzkatalog in ThinkSimple+. Hier findet die Organisation (HR & Fachabteilungen) die notwendigen Kompetenzklassen und deren jeweiligen Kompetenzen.
Bild 6: Auswahl der rollenspezifischen Kompetenzen aus dem Kompetenzkatalog.
Anhand eines eintägigen Workshops kann das Unternehmen in die Situation versetzt werden, die Aufstellung der Kompetenzmodelle selbstständig zu erledigen. Und in späteren Änderungen und Erweiterungen können die Organisationen selbstständig agieren. Das spart Zeit und Geld, und erhöht die Flexibilität.
Ausgangslage #4: Das Unternehmen verfügt nicht über die nötige Expertise und daher bedarf es an externer Unterstützung
In diesem Fall kann die Organisation unsere schnelle und flexible Beratungsleistung in Anspruch nehmen. Das Ziel dabei muss sein, „Hilfe zur Selbsthilfe“, damit die Organisation nachträglich Änderungen und Aufgaben selbstständig durchführen kann.
Im Bild 7 haben wir die drei Quellen für die Aufstellung des Kompetenzmodells zusammengetragen.
Bild 7: Vorgehensweise beim Aufbaue eines individualisierten Kompetenzmodells.
Vorteile des vorgeschlagenen Konzeptes
Welchen Vorteil haben die Organisationen durch unseren Vorschlag? Diese finden Sie im Bild 8 zusammengefasst.
Bild 8: Vorteile durch das Future Skills – Konzept von ThinkSimple
Beispiel für ein Kompetenzmodell
Stellen wir uns vor, Sie Mitarbeitende aus dem Umfeld Kaltakquise analysieren. Kaltakquise heißt z.B. Kontaktfindung, -ansprache und Abschluss. Es entspricht dem Vertriebsarchetyp „Terrier“. Wir haben eine Kompetenzliste zusammengetragen und daraus würden HR und die Fachabteilung die 9 bis 10 wesentlichen Kompetenzen auswählen, und für den Test bereitstellen, siehe Bild 9.
Bild 9: Beispiel fürs Referenzmodell für die Rolle Kaltakquise (Archetyp Terrier). Aus diesen 19 Basiskompetenzen wählen gemeinsam HR und die Fachabteilungen die relevanten 9 bis 10 Kompetenzen für den Test.
Up-Skilling
Bislang haben wir uns konzentriert auf das Thema Kompetenzfeststellung in der Eignungsdiagnostik. Damit erfassen wir nur den Kompetenz-Gap. Die Reise geht anschließend weiter in Richtung Lerndiagnostik und individualisierte Entwicklung.
Mit der Lerndiagnostik stellen wir fest, welche Voraussetzungen bzw. Präferenzen fürs Lernen vorliegen. Das Gießkannen-Prinzip hat ausgedient. Lernende erwarten individualisierte Inhalte und Prozesse. Auch KI ersetzt die Lerndiagnostik nicht. Sie ergänzt sie vielmehr. Die heutigen KI-Konzepte basieren auf Inhalten von Peers, Bewertungen und auf Gewohnheiten. Das ist sicherlich hilfreich. Es reicht aber für eine echte Individualisierung nicht aus. Daher führt die Kombination aus Lerndiagnostik und Kompetenz-Gap zur individualisierten Entwicklung.
Bild 10: Die drei Schritte im Future Skills. KI allein reicht nicht aus. Erst die Kombination aus Personal- und Lerndiagnostik zusammen mit KI erhält der User individualisierte Inhalte und Prozesse.
Take Aways
Ein effizientes und kostenoptimiertes Up-Skilling in Future Skills geht in drei Schritten vor: Eignungsdiagnostik, Lerndiagnostik und individualisierte Entwicklung.
Für die Eignungsdiagnostik empfiehlt sich die Aufstellung von rollenspezifischen Kompetenzmodellen mit den zugehörigen datenbasierten Rollenprofilen.
Erst die Lerndiagnostik trägt der Individualität des Lernenden Rechnung. Und nur so lässt sich eine motivierende Entwicklung garantieren. Dabei kann KI bei der Auswahl der Inhalte als Ergänzung zur Lerndiagnostik helfen, jedoch sie nicht ersetzen.
Die Bereitstellung von Lerninhalten durch geschlossene LMS-Systeme wird nicht empfohlen, sondern vielmehr sollen Zugänge zu kuratierten und flexiblen Inhalten ermöglicht werden.
Quellen
BCG Studie: J. Baier et al. (2021) The Future of People Management Priorities
Widuckel, W., de Molina, K.-M. (2021) Arbeitskompetenzen im beruflichen Alltag, Seminarunterlagen, Universität Erlangen-Nürnberg
World Economic Forum (2020) Die Top 10 Skills im Jahr 2025 in www.weforum.org
Der Autor
Dieser Artikel fußt auf der gesammelten Erfahrung des Autors in über 10 Unternehmen unterschiedlicher Größe: Vom DAX-Konzern über Mittelständler bis hin zum eigenen Start-up mit 15 Mitarbeitern. Regionale Unterschiede (7 Bundesländer) sowie öffentlicher Dienst (Universität) wie produzierendes Gewerbe in der Automobilzulieferindustrie oder reine Dienstleistung in Software-Unternehmen. Dazu unzählige Unternehmen, mit denen der Autor als Kunde bzw. als Lieferant in enger Beziehung stand. Dieser „Unternehmens-durchmarsch“ ermöglichte einen Einblick in viele Unternehmenskulturen: Gute wie schlechte. Der Autor hat zahlreiche Seminar für Führungskräfte-Entwicklung im Bereich Kompetenzen, Performance, Komplexität, Arbeitsmethoden, Stressresistenz geleitet. Er hält seit Jahren Seminare in deutschen Universitäten über Kompetenzen, Kultur und Motivation; und hat Bücher und Artikel darüber geschrieben. Der Autor hat das Tool ThinkSimple+ entwickelt, wo der Cultural Fit sowie ein Performance-Potenzial-Index ermittelt werden.
Die Generationen Y und Z legen einen großen auf die Kultur bei der Auswahl der neuen Arbeitgeber und stellen die Sinnhaftigkeit der Arbeit in den Vordergrund. Arbeit als Pflicht spielt für sie eine geringere Rolle als bei älteren Generationen. In diesem Artikel erklären wir wie die Kultur einen guten Fit zwischen dem Unternehmens- und den Mitarbeitenden-Profilen erzielen kann. Die Merkmale einer NEW WORK-konformen Kultur werden erklärt und wie diese in ein HR-Tool hinterlegt werden. Die Bedienung des Tools lässt sich zwar leicht durchführen, die richtige Herausforderung liegt jedoch darin, etwaige Transformation der Kultur in Gang zu setzen und zu stabilisieren. Das hier vorgestellte HR-Tool ThinkSimple+ hilft bei der Visualisierung der verschiedenen Stadien im Transformationsprozess. Anhand von mehreren KPI kann HR den Impact der Verbesserung des Cultural Fit analysieren und dokumentieren.
Vorwort
Frithjof Bergmann hat vor ca. 40 Jahren den Begriff NEW WORK eingeführt. Damit gab er der neuen Gestaltung der Arbeit einen Namen. Die passende Kultur zur neuen Form der Arbeit wurde NEW CULTURE bezeichnet. Erst vor ca. 5 Jahren nahmen NEW WORK & NEW CULTURE Fahrt auf und wurden peu à peu in die Unternehmenswelt eingeführt. Angefangen bei den Startups, und anschließend bei gestandenen Unternehmen.
In diesem eBook behandeln wir folgende Themen: Kultur als Begriff, Beschreibung von NEW CULTURE als Partnerin von NEW WORK und Impact des Cultural Fit auf die Performance im Unternehmen.
Bereits 2014 haben die Professoren Werner Widuckel, Max J. Ringlstetter, Dieter Frey und ich den Band „Arbeitskultur 2020“ herausgegeben. Auslöser dieses Buches war der niedrige Wert des Gallup – Indices. Unsere Vision war die Verbesserung des besagten Indices von damals 15% auf 20% im Jahr 2020. Sie erahnen es. Wir haben mit dem Buch das Ziel nicht erreicht, wohl aber eine neue Sensibilität für die Bedeutung der Kultur im Unternehmen.
Das Buch „Arbeitskultur 2020“ erfasst die Kulturen von jungen und älteren Unternehmen. Und obwohl damals NEW WORK noch nicht so präsent war, zeichneten sich schon große Unterschiede im Kultur-Verständnis in den Unternehmen ab, hauptsächlich in der Art der Führung: Transaktionale Führung bei den älteren Unternehmen und transformationale Führung bei den jüngeren Unternehmen.
Einleitung
Die Überschrift des Artikels stellt eine Verbindung zwischen Kultur und Performance. Sprechen wir in dieser Verbindung von Korrelation oder Kausalität? Nach Peters & Watermann (1993) handelt es sich um eine Kausalität. Im Verlauf des Artikels erklären wir die Gründe für diese Kausalität.
Malcom Gladwell schlägt in die gleiche Kerbe und behauptet, dass die vier Hauptfaktoren für herausragende Leistungen sind: Talent, Kultur, Zufall und Fleiß (Zitat aus B. Weibel 2014).
„Dass es die Motivation von Mitarbeitern fördert, wenn sie stärker in betriebliche Entscheidungen eingebunden, gilt zwar als Faustregel schon lange – doch die damit verbundene Steigerung der Produktivität ließ sich bisher in der realen Arbeitswelt kaum nachweisen. Wissenschaftlern an der University of Massachusetts und dem Middlebury College im US-Bundesstaat Vermont ist das nun gelungen“ Gerhard Fehr (2010). Diese These wird in der Studie von Pete Sanborn, Ken Oehler (2014) bestätigt.
Wenn wir uns die Handlungsmotive der Generationen X und Z anschauen, dann fällt dabei ein wichtiges Kriterium auf: Pflicht vs. Spaß. Während für die Babyboomer der Gen X das Pflichtbewusstsein eine wichtige Rolle im Arbeitsalltag spielt, ist für die jüngere Gen Z der Begriff Identifikation mit der Aufgabe, und damit der Spaß ein entscheidender Faktor für die Leistungsbereitschaft.
Vor kurzem habe ich eine studierende Arbeitskraft gefragt, wie lange sie bei uns arbeiten möchte? Die Antwort so einfach, wie echt: „Solange es mir Spaß macht“. Der Begriff Spaß hier soll nicht als eine Art Wohlfühlgefühl verstanden werden. Die Gen Z besitzt einen siebten Sinn für Sinnhaftigkeit. Der alte Spruch: „Das muss getan werden, das ist ihre Pflicht“ wird durch die Sinnhaftigkeit der Aufgabe ersetzt: „Das machen wir, damit unsere Kunden erfolgreicher werden, damit schonen wir die Umwelt, usw.“ Ein Unternehmen in der NEW CULTURE braucht ein Purpose. Dieses eint und bewegt die Mitarbeitenden…und die Kunden.
Die Firma ist keine Wohlfühlveranstaltung habe ich 2014 in einem Artikel über Arbeitskultur geschrieben. Dieser Satz hat an Aktualität nicht verloren. Und trotzdem, in der Studie The Future of People Management Priorities von BCG 2021 wird auf die Notwendigkeit einer inspirierenden Kultur hingewiesen: „foster affiliation by sharpening the organization´s purpose and culture to inspire employees”.
In den letzten Jahren sprechen Personaler von People Culture und weniger von Unternehmenskultur. Daher werden wir im Weiteren diesen neueren Begriff auch verwenden.
People Culture
Werner Widuckel (2014) hat in seinem Artikel „Herausforderungen für die Zukunft der Arbeit“ den Begriff People Culture mit den Worten beschrieben: „Werte und Normen, die das Handeln und die sozialen Beziehungen der Individuen in einer Organisation prägen“.
Bild 1: Spannungsfeld der People Culture (auch Arbeitskultur genannt).
People Culture befindet sich in einem Spannungsfeld von konfliktgeladenen Interessen der agierenden Stakeholder, Bild 1.
In der oben erwähnten BCG Studie von 6/2021 werden Hauptthemen für die Personalabteilung skizziert, Bild 2. Darin werden neben Talent Management auch Purpose, Leadership und Culture Change aufgeführt.
Bild 2: Wichtige Themen in der Personalarbeit (aus der BCG Studie 6/2021).
Im oben erwähnten Buch „Arbeitskultur 2020“ haben die Autoren folgende Aspekte der People Culture hervorgehoben:
Flexibilisierung der Beschäftigungsformen
Führungs- und kulturbedingtes Engagement der Mitarbeitenden
Verankerung der Innovation im Kulturprofil
Impact der digitalen Tools auf die Kommunikationskultur
Notwendigkeit von Freiräumen für die Enterprise 2.0
Dynamische Anpassung in einem wachsenden Unternehmen
Interne Kommunikation im Spannungsfeld zwischen Offenheit und Intimität
Transformierende Elemente im Kulturprofil
Unbewusst gelebte Kultur
Mitbestimmung als Teil der Kultur
Vertrauen als Säule des Handelns
Führung von unten als Element der Kultur
Generationen übergreifende Kulturelemente
Kompatibilität mit Familie und Gesellschaft
Lernen als Bestandteil der Kultur
Anschließend möchte ich einige Beispiele von postulierten und gelebten People Culture in Unternehmen. G. Olesch (2014) präsentiert das drei-Säulen-Modell seines Arbeitgebers PHOENIX CONTACT: Werte, Beziehungen zu Kunden und Lieferanten und Vertrauen zur Förderung der Entwicklung der Mitarbeitenden, Bild 3.
Bild 3: Die drei Säulen der People Culture des Unternehmens PHOENIX CONTACT
Das Kulturmodell vom jungen Unternehmen Beekeeper bestand im Jahr 2014 aus folgenden Werten (Grossmann & Slotosch 2014):
Ehrlichkeit und Integrität
Ergebnisorientierung
Kontinuierliche Verbesserung
Einfachheit des Handelns
Lachen als Haltung
Heiner Huber und André Steiner (2004) haben mit dem Buch „das Lachprinzip – Wie man sich erfolgreich glücklich und gesund lacht“ eine neue Komponente für die NEW CULTURE herausgearbeitet: Das Lachen zur Förderung des Erfolges und des Glücks.
Bild 4: Erklärvideo der People Culture von bekannten Unternehmen. Link zum Video
Ergänzend zu Huber und Steiner formulierte neulich Prof. Nico Rose: “Glücklichsein führt zum Erfolg”.
Aspekte der NEW CULTURE
Seit dem Beginn der Corona-Zeit kommunizieren Mitarbeitende wegen Homeoffice hauptsächlich digital. Auch die Führung ist digital.
Nickel und Keil (2021) haben in ihrem Buch „Führung auf Distanz“ die aus dem Homeoffice – Work entstandenen Herausforderungen beschrieben. Diese betreffen sowohl die Führungskräfte als auch die Geführten. Laut Nickel bilden bekannte Werte wie Vertrauen, Empathie, Fehlerkultur die Basis für diese digitale Form der Zusammenarbeit.
Wie oben erwähnt, NEW CULTURE ist aufgrund mehrerer Einflussfaktoren entstanden: Betonung der Sinnhaftigkeit der Arbeit, ein verändertes Verständnis von Arbeit durch Gen Z, die VUCA – Welt und die Digitalisierung, Bild 5.
Bild 5: Haupteinflussfaktoren für die NEW CULTURE.
Ende des vorigen Jahrhunderts wurde mit „Work – Life – Balance“ ein Schutz gegen die Ausbeutung der Gen X eingeführt. Diese Generation neigte zu langen Arbeitstagen mit vielen Überstunden und geringer Freizeit. Die Arbeit wurde nicht als Teil des Lebens verstanden! Arbeit war in deren Augen eine Last. Leistung stand im Vordergrund und nicht die Sinnhaftigkeit.
Brandes und Thielecke (2018) haben in ihrem Buch „Fit für NEW WORK“ ein anderes Postulat aufgestellt: „WORK & LIFE CULTURE“. Und das ist das wahre Novum der neuen People Culture: Arbeit und Leben sind kompatibel, weil der Purpose des Unternehmens und der Mitarbeitenden eine große Schnittmenge aufweist. In späteren Abschnitten werden wir diese Überschneidung in Form von Cultural Fit präzisieren.
Bekannte Werte -wie Autonomie des Handelnden- werden in der NEW CULTURE wichtiger, weil Gen Z vielmehr Freiräume braucht als frühere Generationen. Im Bild 6 haben wir charakteristische Werte der NEW CULTURE aufgestellt.
Laut einer Studie von Glassdor (The Harris Poll) von 2019 informieren sich 77% der Bewerbenden über die Unternehmenskultur, bevor sie sich für eine Stelle bewerben. 58% sagen sogar, dass die Kultur wichtiger als das Gehalt ist. Die Bedeutung von Mission und Purpose liegt bei 89%.
Diese Angaben verdeutlichen die Bedeutung der Kultur für jüngere Generationen. Vergleichswerte von älteren Generationen liegen uns nicht vor.
Bild 6: Charakteristische Werte von NEW CULTURE.
Cultural Fit und seine positiven Wirkungen
Marco Nink (2014) schreibt in seinem Artikel „Der Mensch bleibt Mensch“, dass die „Emotionale Bindung die Produktivität steigert und die Fluktuation sink“. Und ein weiterer Leitsatz „Führung ist ein wesentlicher Treiber der emotionalen Bindung“.
Damit gibt uns Marco Nink einen klaren Hinweis: Der Cultural Fit muss die emotionale Bindung und die wahrgenommene Führungsqualität berücksichtigen.
Daniel Dirks vom Gartner ist der Auffassung, dass „Organisationen zu einer Mitarbeiter-geführten Kulturdiagnose übergehen sollen“. Das will heißen, Unternehmen sollen die Mitarbeitenden regelmäßigen nach ihrer wahrgenommenen CULTURE befragen. Anders ausgedrückt: Unternehmen sollten ihren Cultural Fit analysieren.
Für die Ermittlung des Cultural Fit haben wir bei ThinkSimple zusammen mit Prof. Werner Widuckel von der Universität Erlangen-Nürnberg (2018) ein Kulturmodell entwickelt, Bild 7. Das Modell baut auf den Theorien von Deci & Ryan (2014) sowie Hackmann & Oldmann (1975) und McClelland (1987) auf.
Dieses Modell wurde in unser HR-Tool ThinkSimple+ integriert, damit Unternehmen den Cultural Fit ermitteln können.
Bild 7: Kulturmodell von ThinkSimple entwickelt in Zusammenarbeit mit Prof. Widuckel, Universität Erlangen-Nürnberg.
Die von Daniel Dirks vorgeschlagene Kulturdiagnose erfolgt beim HR-Tool ThinkSimple+ in 3 Schritten, Bild 8.
Bild 8: Die ersten drei Schritte bei der Kulturdiagnose zur Ermittlung des Cultural Fit.
Ein Kulturmodell in eine Software einzugeben, ist eine einfache Übung. Schwierig ist es jedoch, sich Klarheit über die Ausgestaltung des Kulturmodells fürs Unternehmen zu verschaffen. Wie Prof. Widuckel oben formulierte, das Kulturmodell befindet sich im Spannungsfeld der Stakeholder: Geschäftsleitung, Betriebsrat, Führungskräfte und Mitarbeitende.
Ist das Kulturmodell von allen Stakeholdern abgesegnet, so wird der Cultural Fit dadurch ermittelt, dass die Mitarbeitenden ihr Kultur- und Motivationsprofile in die Software hinterlegen. Die Personalabteilung kann dann geclustert nach Organisationseinheiten den Cultural Fit ermitteln. In Bild 9 haben wir das Kulturprofil des Unternehmens (Ocker) den Antworten der Mitarbeitenden (Grau) gegenüber gestellt. Die Abweichungen hier am Beispiel der Führung sind massiv. Und es überrascht nicht, dass der zugehöriger Cultural Fit nur 56% beträgt.
Bild 9: Vergleich zwischen dem Führungsprofils des Unternehmens und der Mitarbeitenden vor der Anpassung. Beide Profile haben eine geringe Abdeckung. Das System ermittelt von den fünf Dimensionen in diesem Fall einen Cultural Fit von 56%. Ein guter Wert beginnt bei 70%.
Dank des ermittelten Cultural Fit (Bild 9) erkennen die Stakeholder (Personalabteilung und Führungskräfte), dass das ursprüngliche Kulturprofil nicht den Vorstellungen der Mitarbeitenden entspricht. Die Stakeholder erhalten klare Hinweise für eine Änderung. Und damit wird der vierte Schritt eingeläutet: Die Überprüfung und Anpassung der Kulturprofils des Unternehmens, um die Mitarbeitenden „abzuholen“.
Beim anschließenden Vergleich beider Profile stellt sich eine bessere Übereinstimmung ein, Bild 10.
Bild 10: Der vierte Schritt ist der wichtigste: Überprüfung und Anpassung des Kulturmodells des Unternehmens, um die Mitarbeitenden „abzuholen“. Im Bild der Vergleich des Führungsprofils zwischen dem Kulturprofil des Unternehmens und den Mitarbeiterprofilen nach der Anpassung.
Der zugehörige Cultural Fit beträgt jetzt 73%, Bild 11.
Bild 11: Cultural Fit vor und nach der Änderung des Kulturprofils des Unternehmens. 56% ist aus unserer Erfahrung ein schlechter Wert, daher in orange. Kulturprofile sollen einen Wert von 70% oder höher ausweisen.
In diesem Artikel haben wir uns auf die Erklärung der softwareseitigen Maßnahmen beschränkt. Relevant für eine Kultur ist nicht das, was in die Software eingetragen wird, sondern wie diese Kultur gelebt -und von der Führung vorgelebt- wird. Erst dann entfaltet die Änderung der Kultur positive Effekte.
Sinnvollerweise soll das Unternehmen vor und nach der Kulturdiagnose KPI wie Engagement, Zufriedenheit, Performance, Fluktuation analysieren, um den Impact der Änderungen in der Kultur zu messen.
In einer geplanten Studie wollen wir die quantitative Verbesserung der KPI-Werte durch die Verbesserung des Cultural Fit beschreiben. Aufgrund der Ergebnisse von Gallup-Studien, von Universitäten und von firmeninternen Erfahrungswerten lässt sich heute sagen, dass der Beweis des qualitativen Impacts möglich sein sollte.
Takeaways
Hier listen wir unsere Vorschläge für Ihre Personalarbeit:
Führen Sie regelmäßig Kulturdiagnosen in den Fachbereichen durch, um die Schnittmenge möglichst groß zu halten
Legen Sie Maßnahmen zur Kulturverbesserung Ihrer Mitarbeitenden in den Zielvereinbarungen fest
Hoher Cultural Fit ist wichtig sowohl für Bewerbende als auch Mitarbeitende
Zeigen Sie möglichst früh auf der Karriereseite Ihr Kulturprofil und bieten Sie Ihren Kandidaten die Messung des Cultural Fit an
Quellen
Bergmann, F. (2019) NEW WORK – NEW CULTURE – Work we want and a culture that strengthens us
Brandes, C., Thielecke, S. (2018) „Fit für NEW WORK”, Haufe, Freiburg
BCG Studie (2021) The Future of People Management Priorities by Jens Baier et al.
Deci, Ryan (2014) Intrinsic Motivation and Self-Determination in Human Behavior
Grossmann, C., Slotosch, A. (2014) Die Unternehmenskultur in Startups – ideale Voraussetzung für den Einsatz von Social Media im Intranet? Erschienen in Arbeitskultur 2020, Springer Verlag
Hackmann & Oldmann (1975) Job Characteristics Model and Job Diagnostic Survey
Huber, H., Steiner, A. (2004) „Das Lachprinzip – Wie man sich erfolgreich glücklich und gesund lacht“, Eichborn
McClelland (1987) Human Motivation, New York, Cambridge Books
Sanborn, P., Oehler, K. (2014) „2014 Trends in Global Employee Engagement“, Aon Hewitt
Weibel, B. (2014) Simplicity – die Kunst, die Komplexität zu reduzieren, Verlag Neue Zürcher Zeitung
Widuckel, W., de Molina, K. (2018) Seminarunterlagen über Arbeitskompetenzen und Motivation, Nürnberg
Der Autor
Dieser Artikel fußt auf der gesammelten Erfahrung des Autors in über 10 Unternehmen unterschiedlicher Größe: Vom DAX-Konzern über Mittelständler bis hin zum eigenen Start-up mit 15 Mitarbeitern. Regionale Unterschiede (7 Bundesländer) sowie öffentlicher Dienst (Universität) wie produzierendes Gewerbe in der Automobilzulieferindustrie oder reine Dienstleistung in Software-Unternehmen. Dazu unzählige Unternehmen, mit denen der Autor als Kunde bzw. als Lieferant in enger Beziehung stand. Dieser „Unternehmens-durchmarsch“ ermöglichte einen Einblick in viele Unternehmenskulturen: Gute wie schlechte. Der Autor hat zahlreiche Seminar für Führungskräfte-Entwicklung im Bereich Kompetenzen, Performance, Komplexität, Arbeitsmethoden, Stressresistenz geleitet. Er hält seit Jahren Seminare in deutschen Universitäten über Kompetenzen, Kultur und Motivation; und hat Bücher und Artikel darüber geschrieben. Der Autor hat das Tool ThinkSimple+ entwickelt, wo der Cultural Fit sowie ein Performance-Potenzial-Index ermittelt werden.
Anja Förster und Peter Kreuz sind der Auffassung, dass hauptsächlich vier Faktoren für die Motivation von Mitarbeitenden und Führungskräften verantwortlich sind: das Streben nach Lust, Geld, Macht und Ansehen ist der Treibstoff für unser gegenwärtiges gesellschaftliches System“ (vgl. Hört auf zu arbeiten! Pantheon, München, 2013). Aus den vier Faktoren ragt einer – meinen wir zumeist – besonders heraus: „Geld ist der Gott unserer Zeit“…so Heinrich Heine.
Vor wenigen Tagen fragten sich Analysten, wie die Deutsche Bank in Zukunft gute Investmentbroker zu gewinnen gedenke. Jetzt, wo sie die Boni reduziert hat.
Vor diesem Hintergrund wirkt meine Behauptung wie eine Zumutung, dass gute Mitarbeiter günstiger sind.
Bin ich weltfremd? Vielleicht… vielleicht aber auch nicht!
Ein Freund von mir pflegt, alle zwei Jahre neue Schuhe zu kaufen. Er meint, sie sind mit ca. 60,-€. nicht teuer. Der einzige Hacken: sie halten nur ein Jahr.
Andere Freunde kaufen sich deutlich teurere Schuhe: 200,-€. Diese halten jedoch 5 Jahre, d.h. sie kosten 40,-€ pro Jahr. Anders ausgedrückt: 33% günstiger!
Gilt dies auch für Mitarbeiter? Ist der Vergleich nicht herabwürdigend?
Versetzen Sie sich in die Rolle des Abteilungsleiters einer Engineering-Firma. Er heißt in diesem Fall Dieter. In seiner Abteilung werden Projektmitarbeitende für Kundenprojekte eingesetzt. Dieter will eine neue Stelle besetzen. Die Personalabteilung hat im Recruitingprozess zwei ausgezeichnete Kandidaten herausgefiltert. Einer ist deutlich teurer als der andere. Dieser kann jedoch höchste Projektqualität, Termintreue und Schnelligkeit vorweisen. Beim günstigeren Mitarbeitenden ist sich Dieter nicht so sicher, ob Qualität, Termintreue und Schnelligkeit stimmen werden. Und diese drei Faktoren sind für die Kundenzufriedenheit und Margen sehr relevant.
Wen wird Dieter einstellen? Teure und gute Mitarbeiter sind anspruchsvoll, sie wollen Karriere machen, denkt er. Was also tun?
Ich war jahrelang in der Position von Dieter und meine Erfahrung hat mir gezeigt, der teure Kandidat ist die bessere und dazu noch die günstigere Wahl.
„Das Streben nach Lust, Geld, Macht und Ansehen ist der Treibstoff für unser gegenwärtiges gesellschaftliches System“
(Anja Förster und Peter Kreuz, „Hört auf zu arbeiten!“ Pantheon, München, 2013)
Zurück zu unserer Erzählung: Eines Tages blieb ich meinem Vorsatz nicht treu und stellte den günstigeren Mitarbeiter ein. Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten: Kunden vergrault, Margen futsch, Termine nicht eingehalten, teure Überstunden, Kosten und Verluste ohne Ende, etc.
Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn erlebte ich eine bizarre Situation. Innerhalb eines Jahres stellte das Unternehmen fünf promovierte Ingenieure ein. Die Firma war der Meinung, dass gleiche Ausbildung gleiches Gehalt zu bedeuten habe. Einer der fünf war Dirk (Name geändert). Während vier der fünf Doktoren nach 5 Jahren nicht mehr da waren, ist Dirk noch bis heute im Unternehmen. Ich besuchte Dirk vor 2 Jahren in der Firma. Er saß nach wie vor im gleichen Büro, hatte immer noch die gleiche Telefonnummer, saß am selben Schreibtisch…und schimpfte wie eh und je über die Firma.
Während unserer gemeinsamen Zeit hatte ich diverse technische Lösungen erarbeitet, die Dirk betrafen. Ich habe diese mit Dirk abgestimmt, was nicht leicht war. Wir kamen jedoch zu einem Kompromiss. Dieser währte jedoch nicht lange – und so schimpfte Dirk wieder lauthals.
Dirk ist für mich der Inbegriff des günstigeren Mitarbeitenden, der jedoch immense Summen an Geld kostet. Dirk hat während der gemeinsamen Zeit – das waren immerhin 5 Jahre – keine einzige gute Lösung präsentiert. Dirk wurde ausschließlich aufgrund seiner Fachkompetenz eingestellt. Diese hatte er, ohne Zweifel. Intelligent war er, ohne Zweifel. Nutzlos war er, ohne Zweifel.
„Gleiche Arbeit, gleiche Bezahlung.“ So propagieren die Gewerkschaften. Dieser Satz ist weltfremd. Ich kenne keine zwei Menschen, die die gleiche Arbeit verrichten, auch wenn sie in derselben Abteilung sitzen und vermeintlich die gleiche Arbeit verrichten.
Mein Plädoyer: Die besten Kandidaten einstellen und leistungsgerecht bezahlen, d.h. höchst differenziert.
Personalauswahl ist eine der schönsten und zugleich schwierigsten Aufgaben in einem Unternehmen. Schön, weil es sich um Menschen handelt. Schwierig aufgrund der Tragweite und weil Menschen zu bewerten, eine hohe Kunst der Psychologie ist: Objektivität, Fairness, Angemessenheit, Eignung usw.
Anhand der Werte aus der firmeneigenen Datenbank lassen sich die Ausprägungen von relevanten Attributen analysieren. Und hier im Vergleich von Führungskräften mit Experten. Diese Ausprägungen in den Kompetenzen, Eigenschaften, Emotionen und Sprachformulierungen können Hinweise für die Personalauswahl liefern. Sei es im Executive Search, Talentmanagement, Nachwuchsprogramme usw.
In späteren Studien sollen weitere Attribute wie Werte, Motive und Präferenzen ebenfalls datenbasiert analysiert werden.
Führungskräfte bilden die Säulen eines Unternehmens und beeinflussen maßgeblich dessen Geschicke. Daher legen Personaler*Innen (im Folgenden wird der Lesbarkeit wegen auf die Sterne verzichtet) den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf die Auswahl und Weiterentwicklung der Führungskräfte.
Für die Auswahl sowie Weiterentwicklung sind objektive Kriterien erforderlich. Hierfür sind Kompetenz- und Persönlichkeitsprofile neben Führungsstil eine gute Hilfe. In diesem Artikel werden wir einige Merkmale der Profile von Führungskräften aufzeigen und besprechen.
Die gezeigten Profile basieren auf firmeninternen Daten unserer Profildatenbank mit 3 verschiedenen Hierarchieebenen in den Unternehmen: C-Level, Führungskräfte und Experten. Führungskräfte umfassen undifferenziert Direktoren, Bereichsleiter, Hauptabteilung-, Abteilungs- und Teamleiter.
2. Einleitung
„Führen bedeutet Orientierung geben, eine Vision und ein Leitbild entwerfen“ so Katrin Adt (2020).
Beim Führen kann man sich verschiedener Stile bedienen: Partizipativ oder hierarchisch, durchsetzungsstark oder attraktiv, transformational oder transaktional. Gemeinsam haben alle eins: Sie zeigen ein spezifisches Verhalten. Und dieses Verhalten entsteht auf Basis bestimmter Kompetenzen, Werte und Eigenschaften. Und einige davon haben wir in unserer Datenbank analysiert und ausgewertet. Klar ist jedoch, dass Führungsstile z.B. durchsetzungsstark und attraktiv recht unterschiedliche Ausprägungen in den Kompetenzen und Eigenschaften erfordern. Die Werte aus unserer Datenbank sind nicht geclustert nach dem Führungsstil, sondern aggregiert durch alle Führungsstile hinweg.
Situativ betrachtet bedeutet, dass eine junge Führungskraft in einem Unternehmen mit NEW WORK- Kultur zu einem eher partizipativen, attraktiven und transformationalen Führungsstil neigen wird. Und hier daher sehen die Kompetenz- und Persönlichkeitsprofile anders aus als bei einem anders gelagerten Fall. In unserer Studie konnten wir Gründer von Unicorn – Unternehmen mit DAX – Vorständen vergleichen und hier im Persönlichkeitsprofil klare Unterschiede feststellen.
3. Komponenten eines Profils
Ein Profil ist die Abbildung der Ausprägung von bestimmten Attributen. Diese Attribute können Kompetenzen, Motive, Präferenzen, Werte, Persönlichkeit usw. betreffen.
Profile haben den unschlagbaren Vorteil der Offenlegung z.B. des Könnens eines Individuums in Bezug auf sich selbst (Veränderungen während eines Zeitraums), auf eine Organisation (Durchschnittswerte z.B. eines Unternehmens), auf eine Funktion oder Position usw. Damit dient ein Profil der Situationsbestimmung. Diese kann für einen Jobwechsel innerhalb oder außerhalb des Unternehmens von Nutzen sein. Relevant ist aber dann, wie sieht das konkrete Profil des Individuums und der Stelle (das sogenannte Job- oder Anforderungsprofil) aus?
4. Welche Attribute beinhaltet ein Profil?
Um ein menschliches Modell einigermaßen vollständig zu beschreiben, sind ca. 275 Attribute notwendig (Widuckel & de Molina 2021). In diesem Artikel betrachten wir nur einen Bruchteil davon: Einige Kompetenzen, Persönlichkeit, Emotionen und Sprache.
Das hier verwendete Kompetenzmodell wurde zusammen mit Prof. Dr. Joachim Thomas von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt entwickelt und wird mittels Fragebögen in Selbsteinschätzung mit einer 6er Likert Skala. Die restlichen Attribute werden mittels eines zeitversetzten Videointerviews erfasst und über künstliche Intelligenz auswertet, siehe de Molina (2021). Hier handelt es sich um eine Fremdbewertung. Damit haben wir eine Kombination aus Selbst- und objektiver Fremdeinschätzung.
Das Kompetenzmodell besteht aus 4 Kompetenzklassen: Methodenkompetenzen, Soziale, Personale und Aktionale Kompetenzen. Und darunter 25 Kompetenzen fest den Klassen zugeordnet.
Das heutige Kulturmodell in ThinkSimple+ wurde mit Prof. Werner Widuckel von der FAU und es besteht aus 5 Dimensionen: Werte, Führung, Aufgaben, Anreize und Normen.
Fürs Persönlichkeitsmodell wurde das Big5 – Modell von McCrae, R. R., & Costa, P. T. (1987) verwendet. Die Attribute sind: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus.
Sind diese Eigenschaften tatsächlich so wichtig für die Prognose des beruflichen Erfolges?
„Judge (2002) zeigt, dass Persönlichkeitseigenschaften offenbar von großer Bedeutung für zwei Aspekte des Führungserfolgs: Wer überhaupt in Führungspositionen gelangt (Führungsemergenz) und wer die Leistung seiner Mitarbeitenden positiv beeinflusst (Führungseffektivität)“.
Emotionen sind Zustände ausgelöst durch einen Reiz. Für die Emotionen wurde das Modell von Paul Ekman (in Schmidt-Atzert, L. et al. 2014) und das Organon Modell von Karl Bühler (1999) für die Sprache (Kommunikation) verwendet.
Die betrachteten Emotionen umfassen: Furcht, Kummer, Missmut, Gelassenheit, Abweisung, Freude und Emotionale Stabilität.
Aus den 7 erfassten Emotionen ermitteln wir den Emotions-Index. Der Vorteile von diesem KPI liegt darin, dass es sich um einen aggregierten Wert handelt und damit stabiler und umfassender. Damit dient er der Ermittlung der Veränderungen im emotionalen Zustand.
In der Sprache wurden drei Attribute erfasst: Positive Formulierungen, Negative Formulierung und Einnehmende Sprache.
Aus den drei Werten lässt sich ein KPI namens Sprachen-Index ableiten.
Nach Peterson (2021) kann man an den verbalen Formulierungen den Führungsstil (durchsetzungsstark oder vielmehr attraktiv) erkennen. Im ersten Fall: Spricht länger, schneller, lauter, kaum Füllwörter, mehr Humor & Sarkasmus. Im zweiten Fall: Indirekte Wortwahl, inklusive Sprache, entspannte Aussprache, Fragen stellend.
Gerade für Positionen mit hohem Kommunikationspensum wie Vertrieb, Marketing und Führungskräfte ist ein hoher Sprachen-Index ein wichtiger Indikator für den Job-Fit.
Im 6. Kapitel werden wir anhand von gemessenen Werten Indikatoren für verschiedene Positionen liefern.
5. Messverfahren
Im Kapitel 6 präsentieren wir einige Ergebnisse von gemessenen Profilen. Diese entstammen ausschließlich von der anonymisierten Datenbank unseres Tools ThinkSimple+. Bei den Kompetenzprofilen haben wir N> 2.000, bei den Persönlichkeitsprofilen N> 100. Bei den letzteren handelt es sich aufgrund der geringen Anzahl von Profilen nur um Tendenzwerte, die der Bestätigung bedürfen. Der Vorteil bei den Persönlichkeitsprofilen liegt darin, dass dazu Videomaterial vorliegt. Dieses erlaubt eine ergänzende Bewertung durch den Betrachter.
Dieses Tool verwendet eine multimodale Messtechnik: Fragebögen und KI-basierte Analyse von zeitversetzten Interviews. Wir analysieren mit dem Tool 6 berufsrelevante Gruppen von Attributen (siehe Bild 1).
Bild 1: Personaldiagnostik mit systemischem Ansatz und multimodaler Technologie.
6. Gemeinsame Merkmale von Führungskräfte-Profilen
In den vorgehenden Kapiteln haben wir den Boden für die Ergebnisdaten vorbereitet: Vorstellung der Modelle, der Messverfahren, der Chancen und Grenzen.
In diesem Kapitel präsentieren wir die Ergebnisse und besprechen deren Impact auf die Nachfolgeplanung, auf das Auswahlverfahren von Führungsnachwuchskräften, auf den Executive Search usw.
Im Bild 5 haben wir die Werte aller vier Kompetenzklassen von CXO (Vorstand bzw. Geschäftsführung), Middle Management und Experten (Fachkräfte bzw. Sachbearbeiter) dargestellt. Hier finden Sie auch den Durchschnittswert aller Kompetenzen. Dieser Wert liegt bei CXO höher als bei Führungskräften und Experten. Diese Ergebnisse sind zugegeben auf der Basis von Selbsteinschätzungen entstanden. Die ermittelten Ergebnisse steht in Konkordanz mit früheren Ergebnissen von anderen Fragebögen und wird von unserer Projektarbeit mit Kunden bestätigt.
Im Bild 6 haben wir 8 von den 25 Kompetenzen aus dem Kompetenzmodell ausgewählt, wo es einen signifikanten Unterschied zwischen den drei Gruppen (CXO, FK und Experten) gibt.
Umfeld gestalten, Agilität, Interessen durchsetzen, Kommunikationsstärke, Situationen verstehen und Lösungsorientierung sind sicherlich Kompetenzen, wo Führungspersonen ihre Stärken haben müssen. Bei Innovationen und Empathie hätten wir es nicht erwartet. Diese erleichtern jedoch die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden, weil sich diese verstanden (Empathie) und bei der Implementierung neuer Technologien (Innovationen) von der Führung nicht ausgebremst werden.
Bild 6: Kompetenzvergleich bei ausgewählten Kompetenzen, wo CXO und Führungskräfte einen signifikanten Unterschied zu den Experten aufweisen.
Für die Betrachtung der Persönlichkeitsprofile haben wir andere Kohorten ausgewählt, die uns sehr interessant erscheinen: Gründer von Unicorn-Startups und DAX-Vorstände, und keine Führungskräfte aus dem Middle Management. Unicorn bezeichnet man junge Unternehmen mit einem Kapitalwert von über 1 Milliarde. Hier seien z.B. Delivery Hero, N26, Celonis aus Deutschland und LinkedIn, Airbnb, Uber aus den USA erwähnt.
Bild 7: Persönlichkeitsprofile von Unicorn-Gründern, DAX-Vorständen und Experten.
Die Profile bestätigen meine persönliche Vermutung: Gründer von sehr erfolgreichen Unternehmen haben ein sehr ausgeprägtes Profil: Sehr offen, zumeist sehr extrovertiert, sehr verträglich und zugleich mit geringem Neurotizismus. Leider liegen uns zu wenig Kompetenzprofile von Gründern vor, um hier eine ergänzende Betrachtung zum Persönlichkeitsprofil anzustellen: Risikobereitschaft, eigenen Fähigkeiten vertrauen, selbstbestimmt handeln usw.
Oben haben wir die Unterschiede in den Profilen von Gründern und Vorständen festgestellt. Beide weisen eine „Trapezform“ auf, siehe Bild 7. Im Wesentlichen haben Offenheit und Extraversion einen höheren Wert als Neurotizismus. Da diese Kohorten High Performer sind, erlauben wir uns dieses Profil so zu benennen, siehe Bild 8.
Bild 8: Charakteristisches Profil eines High Performers.
7. Anwendung für Executive Search und Talentmanagement
Bei der Personalauswahl will man sicherstellen, dass die „Richtigen am richtigen Platz“ sind. Das gilt dann besonderes bei der Auswahl von Führungskräften, da diese die „Säulen des Unternehmens“ bilden. Wie erkennt man, ob jemand die passende Führungskraft ist? Diese ist eine situative Entscheidung, d.h. kontextabhängig. Für einen Turnaround suchen Sie sicherlich jemand anders als für ein Change-Management. Nichtsdestotrotz brauchen Führungskräfte in beiden Fällen die gleichen Grund-Kompetenzen.
In diesem Artikel haben wir die Ausprägung von einigen Attributen vorgestellt, die unserer Meinung nach Orientierung bei der Auswahl von Führungskräften geben können. In späteren Artikeln wollen wir uns ergänzend mit Werten, Motiven und Präferenzen befassen.
Im Prozess der Personalauswahl haben sich mehrere Verfahren herausgestellt, siehe Langer (2018). Zu Beginn des Jahrhunderts führte Google als einer der ersten Unternehmen die Telefoninterviews noch vor den Präsenzterminen. Die Recruiting-Verfahren wurden bei allen Unternehmen im Laufe der Zeit verfeinert. Stracke (2015) hat das bewährte Konzept des Interviews genauer analysiert. Namhafte Diagnostiker wie Prof. Kersting (2019) und Kanning (2018) haben in Videos deren Konzepte erklärt.
Im Bild 14 haben wir eine kleine Auswahl von etablierten Verfahren bei der Personalauswahl dargestellt. Wir haben uns erlaubt an die Stelle der Online-Verfahren unser Produkt einzusetzen, weil es sich um ein systemisches und multimodales Verfahren handelt. Andere im Markt etablierte Produkte könnten ebenfalls hier Platz finden. Dieses Bild soll in den zwei Dimensionen Genauigkeit versus Schnelligkeit die Stärken und Schwächen üblicher Verfahren zeigen. Göhring (2021) gibt folgende Werte für die Genauigkeit (Trefferquote einer erfolgreichen Einstellung) an:
Interview mit geschultem Personal: 20%
Strukturiertes Interview: 40%
Multimodaler Online-Test: 70%
Assessment Center (1 bis 2 Tage): 80 bis 90%
Damit bestätigt Göhring unsere Aussage vom Bild 14 und zeigt das Potenzial von multimodalen Online-Tests. Diese können als Alternative zum aufwendigen Assessment Center angesehen werden.
Bild 14: Im Prozess der Personalauswahl können verschiedene Methoden der Diagnostik eingesetzt werden. Relevant dabei sind Genauigkeit, Schnelligkeit, Zeit- und Kostenaufwand, sowie Objektivität versus Subjektivität.
8. Ausblick
Für spätere Studien werden weitere Kompetenzen aus neuen Modellen wie z.B. Schirmer, U. (2020) hinzugezogen. Dazu kommen die Werte, Motive und Präferenzen.
Solange es Unternehmen gibt, wird es Personalauswahl geben und hier sollen Diagnostiker den HR-Verantwortlichen Methoden und Tools an die Hand geben, damit sie ihre Arbeit genau, objektiv, schnell und kostengünstig durchführen können.
9. Take Aways
Für die interne wie externe Auswahl von Führungskräften sind stellenbezogene Anforderungsprofile erforderlich, die dann von den Kandidaten gematcht werden müssen.
Eine unternehmensspezifische Datenbank mit charakteristischen Merkmalen von Führungskräften liefert die Basis für die Anforderungsprofile. Solange diese nicht vorliegen, lassen sich generische Profile von Tool-Anbietern verwenden. Diese Profile dürfen nicht für eine automatisierte Auswahl missbraucht werden. Wohl aber für eine Priorisierung und Information vor dem Interview.
Die Anforderungsprofile einer Führungskraft müssen folgende Attribute beinhalten:
Kompetenzen
Eigenschaften
Emotionen
Sprachformulierungen
Motive
Werte
Präferenzen
Das verwendete Verfahren der Personalauswahl soll die Subjektivität der Bewertung auf ein Minimum reduzieren. Hierfür helfen Ausbildung der Bewerter gemäß DIN 33430 und die Verwendung von objektiven Testverfahren.
Quellen
Adt, K. in VDI- Nachrichten 17.4.2020
Barrett, L. F. (2017) How Emotions are made: The Secret Life of the Brain
Bass, B. M. & Riggio, R. E. (2006) Transformational Leadership, Psychology Press
Bühler, K. (1999) Sprachtheorie. Darstellungsfunktion der Sprache, Stuttgart
Kanning, U.P. (2016) Über die Sichtung von Bewerbungsunterlagen in der Praxis der Personalauswahl, in: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie A&O, 60, S. 18-32
Kearney, E. (2019) in Personalführung 4/2019 S. 17-21.
Keller, T. & Weibler, J. (2015). What it takes and costs to be an ambidextrous
manager: Linking leadership and cognitive strain to balancing exploration
and exploitation. Journal of Leadership & Organizational Studies,
Krumm, S.; Schmidt-Atzert, K. (2009), Leistungstests im Personalmanagement, Hogrefe
Langer, M. et al. (2018) Algorithmen bei der Personalauswahl – eine kritische und hoffnungsvolle Betrachtung, in: Wirtschaftspsychologie aktuell, 1, 36-4
McCrae, R. R., & Costa, P. T. (1987). Validierung des Fünf-Faktor-Persönlichkeitsmodells of über Instrumente und Beobachter hinweg. Journal of Personality and Social Psychology, 52(1), 81– 90