„Arbeit ist das halbe Leben, und die andere Hälfte auch“ so philosophierte Erich Kästner vor etlichen Jahren. Damals war die Arbeit nicht so dynamisch und stressig wie heute. Burnout war noch nicht in aller Munde. Und die Arbeitszeit streckte sich auf 6 Tage in der Woche.
Für Malcom Gladwell sind „Die vier Hauptfaktoren für herausragende Leistungen: Talent, Kultur, Zufall und Fleiß“. Ist Fleiß tatsächlich so relevant für den Erfolg? Es wird berichtet, dass erfolgreiche CEOs wie Tim Cook sehr früh mit der Arbeit beginnen. Ist Fleiß entscheidend für den Erfolg?
Timothy Ferriss vertritt die gegenteilige Meinung: „Geschäftigkeit ist eine Form von Faulheit – Faulheit des Denkens und wahlloses Handeln„. Damit schlägt in die gleiche Kerbe wie ich mit dem Begriff der „operativen Faulheit“.
Als Trainer für Performance-Entwicklung rate ich den Teilnehmern: „Haben Sie den Mut, faul zu sein!“. Warum? Direkt formuliert heißt: Fleiß ist die Rettung für diejenigen, die nicht wissen, was (wirklich) relevant ist. Nach dem Motto: „Wenn ich alle Vorgänge erledige, dann kann ja nichts passieren!“ So denken viele im Mittelmanagement. Die Folge: Überstunden, Ärger mit der Familie, keine Zeit für Entspannung, für Kreatives, für Weiterentwicklung usw. Damit wird der 2. Quadrant von Stephen Covey im berühmten Buch „the seven habits of highly efficient people“ außeracht gelassen. In diesem 2. Quadrant fasst Covey die wichtigen, aber nicht eiligen Aufgaben zusammen.
Kurt von Hammerstein-Equord bringt es auf den Punkt: „Der Mann, der klug und fleißig ist, eignet sich für hohe Stabsverwaltung; der Mann, der klug und faul ist, eignet sich für die wichtigsten Kommandos, er hat die Nerven, mit allen Situationen fertig zu werden“. Das heißt, faul sein erfordert Mut, wie oben erwähnt. Anders ausgedrückt, fleißig sein kann u.U. als ein Zeichen von Risikoaversion gedeutet werden.
Seit Jahren unterscheide ich zwischen den operativen und kreativen Arbeitszeiten. Heute wird dieses Thema unter dem Begriff „Beidhändigkeit“ beschrieben. Viele Menschen reduzieren die Arbeit auf eine rein „operative“ Tätigkeit. Die persönliche Entwicklung, die Lösung von Problemen geschieht jedoch während der „kreativen“ Zeit. Anders ausgedrückt, wer fleißig bei den „operativen“ Tätigkeiten ist, hat keine Zeit fürs „Kreative“, und bleibt um berühmten Hamsterrad hängen.
Daher raten Joachim Schultz / Gerhard Köpf „Bewusster Müßiggang, Kontemplation und Reflexion„. Der ehemalige CEO von GE, Jack Welch, nannte diese Zeit des Müßiggangs „durch das Fenster schauen“. Biographien von Welch zählen eine Stunde pro Tag für diesen „Müßiggang“!
In einer Studie unter Young Professionals wurde festgestellt, dass gerade „Spätaufsteher“ erfolgreicher im Job sind. Ich kann es mir sehr gut erklären. Wer bewusst spät aufsteht, geht fokussierter an die Aufgaben, weil er/sie weiß, viel Zeit habe ich nicht. Ergo konsequent an die Aufgaben heran gehen. Für Peter Kreuz ist konsequent Sein eine notwendige Voraussetzung für den Erfolg.
Die hier beschriebene Faulheit bedeutet mitnichten, dass Sie Ihre Verpflichtungen vernachlässigen. Im Gegenteil. Faulheit im operativen Tun bedeutet, diese Tätigkeiten effizient erledigen, damit Sie Zeit fürs Kreative, für Ihre Weiterentwicklung haben.
Zu guter Letzt eine kleine Anekdote. Eines Tages hielt ich ein Seminar über Performance. Eine Teilnehmerin erzählte uns, dass sie 90 Stunden in der Woche arbeiten würde. Ihre Position: Niederlassungsleiterin einer Bank in einer Kleinstadt. Bei einem anderen Seminar erzählte die Assistentin eines Vorstands derselben Bank, dass gelegentlich der Vorstand bereits um 14 Uhr heimginge. Im Latein heißt: „Non multa, sed multum“. Zu Deutsch: „Nicht viel, sondern das Wesentliche tun“.
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